Musik soll in erster Linie unterhalten, sie kann aber auch Gefühle auslösen, motivieren und dabei helfen, sich zu fokussieren. Zu diesem Ergebnis kam ein Forschungsteam um den Neurowissenschaftler Daniel Bowling von der Universität Stanford (USA), indem es die Effekte von Musik auf die Konzentrationsfähigkeit und die Stimmung untersuchte.
Das Team wollte klären, ob leise Hintergrundmusik beim Arbeiten oder Lernen tatsächlich hilfreich sein kann. „Viele Menschen sagen, sie können sich besser konzentrieren, wenn neben der eigentlichen Aufgabe Musik läuft“, sagt Bowling im Gespräch mit science.ORF.at. „Wir wollten herausfinden, ob das wirklich stimmt und welche Art von Musik die beste Wirkung zeigt.“
Rhythmus, Groove und Schwung
Dazu konzipierte der Neurowissenschaftler mit weiteren Fachleuten und dem Unternehmen „Spiritune“ Musik, die später von professionellen Musikerinnen und Musikern aufgenommen wurde. Alle Lieder folgten bestimmten Kriterien: „Wir wissen aus der Literatur, dass einige musikalische Eigenschaften die Konzentrationsfähigkeit eher fördern als andere. Die Musik sollte einen Rhythmus und möglichst wenig Text haben, und sie braucht einen gewissen Groove und Schwung. Die Melodien und Harmonien sollten sich wiederholen und nicht zu abwechslungsreich sein“, so Bowling. „Man möchte, dass das Gehirn die Musik in den Hintergrund rücken kann.“
Hintergrundmusik im Test
Im Rahmen der Studie testete das Team die Wirkung verschiedener Musikarten an knapp 200 Probandinnen und Probanden. Sie mussten online mehrere zum Teil recht anspruchsvolle Konzentrationsübungen lösen und hörten nebenbei leise Hintergrundmusik.
Neben den Eigenkompositionen, die das Team als „Work Flow“-Musik bezeichnete, testeten die Forscherinnen und Forscher auch die Wirkung von bekannter Popmusik (z.B. „Levitating“ von Dua Lipa) und normalen Bürogeräuschen. Außerdem verglich das Team die Eigenkompositionen mit einer beliebten Wiedergabeliste auf einer bekannten Streamingplattform, die den Titel „DeepFocus“ trägt.
“Weder aufregend, noch langweilig“
„In der Forschung hinken wir dem, was die Menschen ohnehin schon lange machen, noch weit hinterher“, erklärt Bowling. Dass Musik bei langwierigen Aufgaben helfen kann, sei schon allein wegen der enormen Anzahl an Wiedergabelisten offensichtlich, die genau dafür zusammengestellt wurden. „Aus wissenschaftlicher Sicht wussten wir bisher aber noch recht wenig über die konkrete Wirkung der Musik – die Listen beruhen also kaum auf wissenschaftlich erwiesenen Tatsachen.“
Wiedergabelisten auf den bekannten Streamingplattformen haben laut dem Neurowissenschaftler etwa oft das Problem, dass sich das Tempo beim Liedwechsel nach nur zwei bis drei Minuten verändert. Andere Listen haben hingegen zu wenig Rhythmus und Harmonien. „Die Musik darf nicht so aufregend sein, dass sie die komplette Konzentration auf sich zieht – sie darf aber auch nicht so ermüdend sein, dass sie noch zusätzlich langweilt.“
Verbesserte Aufmerksamkeit und Motivation
Davon zeugen auch die Ergebnisse der Studie, die das Forschungsteam aktuell im Fachjournal „PLOS ONE“ präsentiert. Es stellte fest, dass Personen, die die eigens komponierte „Work Flow“-Musik hörten, in den Online-Tests schneller reagierten, ohne dabei an Genauigkeit zu verlieren. „Die Musik schien ihre Aufmerksamkeit und Motivation zu steigern und half ihnen, ihre Leistung zu optimieren“, erläutert Bowling.
Die Effekte waren zwar klein, aber statistisch signifikant. „Es ist nicht so, dass man die Musik anmacht und plötzlich die Produktivität verdreifacht, aber sie gibt auf jeden Fall einen kleinen Schub.“
Musik beeinflusst Stimmung
Im Rahmen der Untersuchung zeigte sich außerdem, dass Musik nicht nur die kognitive Leistung, sondern auch die Stimmung positiv beeinflussen kann. „Musik hat bekanntermaßen eine direkte Wirkung auf unsere Emotionen – sie kann uns aufheitern, motivieren und helfen, uns besser zu fühlen“, so Bowling.
Die Forscherinnen und Forscher ermittelten die Stimmung der Teilnehmer daher vor und nach dem Musikhören und beobachteten, dass sie sich durch das Hören der „Work Flow“-Musik besserte. Im Rahmen der Studie war das vor allem deshalb relevant, weil sich der Gemütszustand erwiesenermaßen auch auf die Produktivität der Menschen auswirken kann.
Unterstützung für mentales Wohlbefinden
Neben dem Effekt auf die Produktivität stand auch die Wirkung auf die psychische Gesundheit im Fokus des Forschungsteams. Bowling ist unter anderem überzeugt davon, dass Musik auch Menschen mit einer leichten bis mittleren Angststörung dabei helfen kann, ihre Emotionen zu regulieren.
Sanfte, rhythmische Klänge könnten auch dabei helfen, Stress abzubauen. Besonders in angespannten oder herausfordernden Situationen könnte die richtige Musik somit eine wertvolle Unterstützung bieten, um das mentale Wohlbefinden zu stärken.
Für das Team ebenfalls ermutigend: Die positiven Effekte wurden im Rahmen der Studie durch lediglich zehn Minuten Musikhören erreicht. Die Musik unter realen Bedingungen länger zu hören und sich an sie zu gewöhnen, könnte die Wirkung noch verstärken, vermutet der Neurowissenschaftler.
Persönliche Vorlieben entscheidend
Klar sei aber auch, dass Musik Geschmackssache ist. Was einer Person beim Arbeiten und Lernen hilft, könnte für eine andere schon zu ablenkend sein. „Es gibt auch Menschen, denen Musik gar nicht gefällt – sie würde beim Arbeiten wahrscheinlich jegliche Musik stören. Andere brauchen einen schnelleren Rhythmus, um sich zu motivieren und wieder andere wollen sich in besonders stressigen Situationen vielleicht beruhigen.“
Es sei daher wichtig, auf der Suche nach der passenden Hintergrundmusik immer auch auf die eigenen Vorlieben und die jeweilige Situation zu achten. Die vom Forschungsteam untersuchten Kriterien sollen die Suche nach der idealen Hintergrundmusik jedoch erleichtern, so der Neurowissenschaftler Daniel Bowling.
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